Die UBL-FDP/FWV-Gemeinderatsfraktion hat sich für Die Nutzungsänderung eines ehem. Gewerbebetriebes in ein Flüchtlingswohnheim für bis zu 60 Menschen ausgesprochen. GR Dietrich Herold hat dies begründet. Seine Ausführungen – leicht gekürzt – im Wortlaut:

 

„Das Thema Flucht vor Krieg, Terror, Gewalt ist kein theoretisches Thema und kein Drama, das nur im Fernsehen vorkommt und uns hier in Deutschland nichts angeht. Die Asylbewerber- und Flüchtlingssituation ist in Edingen-Neckarhausen auch nicht neu. Wir hatten in den 90ern eine Container-Unterkunft hinter dem Gemeindebauhof, versteckt, isoliert. Mancher erinnert sich noch daran.
Nun haben wir einen Antrag zur Schaffung eines Wohnheimes im Gewerbegebiet. Bis zu 60 Flüchtlinge könnten dort untergebracht werden. Die UBL-FDP/FWV-Fraktion hat darüber beraten – mehrfach, lange und intensiv, zuletzt und definitiv und einstimmig nach dem gestrigen Ortstermin.

Wir wollen, wie schon mehrfach erklärt, keine Ghettoisierung.
Wir wollen nicht Menschen in Not zwangsweise unterbringen müssen und dann auch noch an den Rand drängen, verstecken, isolieren.

Bei Ablehnung des Verwaltungsvorschlages und Zustimmung der Nutzungsänderung kann uns entgegengehalten werden, wir setzten uns damit in Widerspruch zu vorausgegangenem Verhalten des Gemeinderates, etwa bei der Gestattung einer Moschee in der vorletzten Amtsperiode, aber auch mit Blick auf die Gestattung lediglich einer Wohnung pro Gewerbebetrieb und das Vorgehen gegen Verstöße hiergegen mit Hilfe des Landratsamtes.

Man könnte uns bei Zustimmung zu diesem Vorhaben vorwerfen, einen – weiteren – Präzedenzfall zu schaffen und diejenigen zu benachteiligen, die sich bislang rechtmäßig verhalten haben.
Gewichtige Argumente sicherlich, und auch die nicht unberechtigten Einwendungen der Nachbarn beim Ortstermin nehmen wir mindestens genau so ernst wie die Anwohner es selbst tun.
Wertminderung der benachbarten Objekte, nächtliche Ruhestörung – wohlgemerkt nicht durch, sondern für die Menschen in der Heimunterkunft, wegen der langen Arbeitszeiten in der Umgebung und lärmintensiver Tätigkeiten.
Und nicht zuletzt: Der starke Verkehr und die Art des Verkehrs: Lastautos, die rangieren müssen – eine starke Gefährdung für Kinder aus Ländern, wo die Luft zwar eisenhaltig ist, aber Straßenverkehr quasi nicht vorkommt, wo kaum jemand zum shoppen fährt und LKW allenfalls von Kämpfern jeder Art benutzt werden. Menschen im Gewerbegebiet und bis zu 60 auf einen Schlag – und das könnte erst der Anfang sein ? So mag man sich fragen.

Andererseits ist das Gewerbegebiet Edingen-Nord kein solches im „klassischen Sinn“. Es ist schon ein attraktives Quartier: Wohnen, religiöse Kommunikation, sportliche und gesellige Aktivitäten, Gastronomie, Handel, Handwerk, Gewerbe, ÖPNV-Anbindung und Einkaufsmöglichkeiten in Hülle und Fülle fußläufig erreichbar. Quasi ein Zentrum zwischen Neckarhausen, Neu-Edingen und Edingen. Eine Flüchtlingsunterkunft – auch für bis zu 60 Menschen – läge nicht im Abseits und wäre sozialpolitisch vertret- und verkraftbar.

Der Erste Landesbeamte und Landrat-Stellvertreter Bauer hat uns zugesagt, schriftlich zuzusichern, dass weitere Flüchtlinge dort nicht untergebracht werden. Er hat seine Zusage gehalten. Die Zusicherung liegt vor. Er hat weiters vorgeschlagen, die Nutzungsänderung auf zehn Jahre zu befristen. Damit treten zwei Befürchtungen nicht ein: Eine Gheottoisierung des Gebietes und die Präzendenzfallwirkung. Dies, aber auch und insbesondere die menschliche Seite der Flüchtlingssituation und die Verpflichtung, die wir als Mandatsträger in Gemeinde und Landkreis gegenüber der Verfassung und den Gesetzen unseres Staates haben, sehen wir und haben sie bei der Abwägung berücksichtigt.

Hinzu kommt: Der Antragsteller hat die Möglichkeit, eine ablehnende Entscheidung mit gerichtlicher Hilfe zu beseitigen – und er hat dafür durchaus gute Argumente, für die in der Vergangenheit die Gemeinde die Fakten geschaffen hat, sodass die Erfolgsaussicht naheliegt und das Prozessrisiko vernachlässigbar gering für ihn sein würde. Dann wäre auch das Landratsamt nicht mehr an seine Zusicherung gebunden.

Wir alle sollten wissen: als unser Land nach sechs Jahren Krieg in Schutt und Asche lag, Hunger herrschte, haben wir im Westen Millionen Flüchtlinge aufgenommen:
Allein in Neckarhausen bei ca. 3000 Einwohnern bei Kriegsende 1945 hatte bis 1953 rund 500 Heimatvertriebene und Flüchtlinge aufgenommen. In Edingen und andernorts war es nicht anders. Sie waren mitursächlich für das sog. „Wirtschaftswunder“ und unseren heutigen Wohlstand in Deutschland, einem Land dem es weltweit verglichen durchaus gut geht und wo die Lebensmittelpreise europaweit mit am niedrigsten sind.
Und da sollen/wollen wir uns der Not verschließen ?

Die UBL-FDP/FWV-Fraktion duckt sich vor dieser sehr schwierigen Entscheidung nicht weg und stimmt – jeder einzelne von uns - der befristeten Nutzungsänderung zu.